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       Guido Wasser, 56, Ex-Offizier der Schweizer 
       Armee, verbreitet Begeisterung für "den 
       besten Revolver der Welt": Es gab, erzählt er, 
       "einen genialen Konstrukteur namens Dick 
       Casull. Der entwickelte eine Patrone, bei der 
       normale Revolver auseinander flogen. Die 
       Firma Freedom Arms in Wyoming baute 
       dann die passende Waffe dazu."
       Die Casull 454 gilt als stärkster Revolver 
       der Welt. "Bärenjäger nehmen sie gern", 
       erzählt Wasser. Er greift die Waffe, zielt und 
       trifft. Einfach so, als trinke er ein Bier am 
       Tresen. Ein Mann und sein Revolver. Ein 
       archaischer Mythos, der in Zeiten von Bits 
       und Bytes fast schon museal anmutet.
 Bereits das Laden der fingerdicken Munition 
       wird wie ein meditativer Moment zelebriert, 
       jeder Abzug genau auf den Schützen 
       eingestellt. Denn anders, als man nach den 
       Action-Filmen aus Hollywood vermutet, ist 
       der Abzug selbst eines solch gigantischen 
       Revolvers sensibel wie eine Geigensaite.
 Der Schweizer Offizier schießt eine 44er-
       Magnum, seit dem Film "Dirty Harry"
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       mit Clint Eastwood in der Hauptrolle eine 
       weitere Ikone der Neuzeit. Der Rückstoß 
       katapultiert den ganzen Mann zur Seite. 
       Links und rechts schießt eine Flamme heraus, 
       ein Feuerball. Die Wucht ist gewaltig. 
       Aber noch immer harmlos gegen eine 454er-
       Casull: Ein ungeübter Schütze würde die 
       Waffe rückstoßbedingt glatt zwischen Nase 
       und Stirn spüren.
       "Schießen ist eine Kunst", sagt Frank 
       Reiche, 48, der Veranstalter dieses Freedom-
       Arms-Shot in Deutschland, das außerhalb
       der USA weltweit nur in Erfurt stattfindet. 
       Reiche zählt zu den international 
       renommiertesten Allround-Schützen. Er studierte 
       Psychologie, besitzt heute eine 
       Immobiliengesellschaft: und ist so eine Art Philosoph der 
       Revolverschützen. Ein charmanter, gebildeter 
       Bonvivant, den es unermesslich ärgert, mit 
       Psychotikern in einen Topf geschmissen zu 
       werden. "Schießen", sagt er, "ist eine ganz 
       einzigartige Sportart. In den meisten anderen 
       Disziplinen werden äußere Leistungen, rohe 
       Kraft und Muskeln gefordert. Beim Schießen 
       hingegen
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       zählt die innere Leistung: Ruhe."
       So wie beim Bogenschießen. Nur mit dem 
       Unterschied, dass diese Sportart salonfähig 
       ist, auch bei Pazifisten und Volkshochschullehrerinnen. 
       "Dabei ist ein Bogen genauso 
       tödlich, ja sogar noch brutaler - weil völlig
       lautlos", sagt Reiche. Die Männer, die ihm 
       zuhören und nicken, kommen aus Holland, 
       Tschechien, der Schweiz, Italien, Frankreich, 
       Belgien und den USA. Hier in Erfurt können 
       sie draußen schießen, nicht in einer dunklen, 
       miefigen Kellerhalle wie sonst.
 Die Schützen tragen ihre Metall- und 
       Lederkoffer zwischen Grillrost und Parkplatz 
       umher. Spaziergänger könnten sie glatt für 
       Musiker auf dem Weg zu einem Konzert 
       halten. "Höllenenergie" könnte ihr Konzert 
       heißen. "Es gibt Männer, die sind groß und 
       stark, haben aber Schmerzen, wenn sie eine 
       Casull schießen. Im Ellbogen, in den 
       Handgelenken", erklärt Reiche.
 Schießen ist kompliziert. Wer mit einer 
       Kurzwaffe auf 200 Meter treffen will, muss 
       den Wind berücksichtigen, die Patrone,
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